CBAM: Innovativer Klimaschutz – aber auch international akzeptiert?

Von Sophie Schwab.

Sophie Schwab

Die Verordnung (EU) 2023/956 (CBAM-VO) schafft mit einem CO2-Grenzausgleichssystem (englisch „Carbon Border Adjustment Mechanism“) ein innovatives rechtliches Klimaschutzinstrument mit Potential. In der weiteren Ausgestaltung wird es darauf ankommen, offene Fragen im Sinne eines gerechten Klimaschutzes zu entscheiden, um die Chancen für eine internationale Akzeptanz zu erhöhen. Das CBAM soll Carbon Leakage verhindern und wird den Emissionshandel wesentlich verändern. Im Vergleich zum ursprünglichen Verordnungsvorschlag versprechen die neugefasste Zielausrichtung der jetzt verabschiedeten Verordnung und die Inklusion von Wasserstoff mehr Klimaschutz. Allerdings sind die wichtigen Fragen der Behandlung der Exporte, der Orientierung am Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung sowie das Zusammenspiel mit einem möglichen Klimaclub noch offen.

 

Der europäische Emissionshandel und das Risiko von Carbon Leakage

Im Europäischen Grünen Deal bezeichnet sich die EU nicht zuletzt aufgrund der Bepreisung von Treibhausgasen wie CO2 im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-EHS) als „globalen Vorreiter“ im Klimaschutz. Hohe Kosten sollen Anlagenbetreiber dazu bewegen, Emissionen einzusparen. Das Umweltbundesamt berechnet, dass pro Tonne CO2 Umweltkosten in Höhe von 237 Euro entstehen. Im Februar 2023 lagen die Kosten für ein EU-EHS-Zertifikat für eine Tonne CO2-Äquivalent erstmals bei über 100 Euro. Damit die EU ihre Emissionsminderungsziele erreichen kann, soll eine stärkere CO2-Bepreisung durch eine weitere Verknappung der Emissionszertifikate erfolgen. Mit der gewünschten Erhöhung von Emissionskosten geht die Sorge vor „Carbon Leakage“ (ErwG. 9 CBAM-VO) einher. Es wird befürchtet, dass hohe Emissionskosten einen Wettbewerbsnachteil darstellen und Unternehmen deshalb abwandern könnten (vgl. Böhringer et al., S. 22 Marcu et al., S. 4). Aus klimapolitischer Sicht verlagern sich mit der Unternehmenstätigkeit auch die Emissionen, da sie nicht gespart, sondern in Regionen außerhalb des EU-EHS kostengünstig(er) ausgestoßen werden (vgl. CBAM-Vorschlag, S. 3.; IPCC 2014, S. 237). Wegen des Risikos von Carbon Leakage werden Anlagenbetreibern in bestimmten Sektoren kostenlose Emissionszertifikate zugeteilt. Allerdings schwächt diese kostenlose Zuteilung das Preissignal des Emissionshandels deutlich (vgl. ErwG. 11 CBAM-VO, ERH). Ein ambitionierter Klimaschutz und ein Schutz vor Abwanderungen sind so nicht gleichzeitig zu erreichen. Eine Reform stand also aus.

Innovation: Verhinderung von Carbon Leakage durch das CBAM

Diese Reform besteht nun in der Einführung des CBAM. Der Grenzausgleich soll die gleich hohe CO2-Bepreisung von Einfuhren und inländischen Erzeugnissen sicherstellen (vgl. ErwG. 12 CBAM-VO) und so gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen europäischen und importierten Produkten schaffen (vgl. Dominioni/Esty, S. 7). Wenn das CBAM nach einem Übergangszeitraum im Jahr 2026 vollständig in Kraft tritt (Art. 32 CBAM-VO), müssen für Emissionen, die importierten Waren zugeordnet werden, CBAM-Zertifikate abgegeben werden (Art. 22 CBAM-VO). Anders als Zertifikate im EU-EHS werden CBAM-Zertifikate gekauft und nicht ersteigert (Art. 10 Abs. 1 EU-EHS-RL; Art. 20 CBAM-VO). Der Preis entspricht dem durchschnittlichen Preis von EU-EHS-Zertifikaten der jeweiligen Kalenderwoche (Art. 21 CBAM-VO). Wenn im Ursprungsland der Waren bereits ein Emissionspreis gezahlt wurde, kann eine entsprechende Kürzung der CBAM-Zertifikate beantragt werden (Art. 9 CBAM-VO).

Die Kritik am CBAM ist geteilt: Einerseits sollen steigende Emissionspreise in der EU künftig kein Carbon-Leakage-Risiko mehr begründen, soweit das CBAM die Importe mit äquivalenten Emissionsabgaben belastet (vgl. Dröge, S. 7). Die Anrechnungsmöglichkeit bereits gezahlter Emissionspreise vermittele eine Anreizwirkung für andere Staaten, ebenfalls Emissionspreise zu etablieren. So werde das CBAM zu einem „klimapolitischen Hebel“ für eine weltweit verbesserte Emissionsbepreisung (vgl. Dröge, S. 10). Andererseits könne das CBAM die territoriale Souveränität anderer Länder verletzen, indem Druck ausgeübt werde, Emissionspreise einzuführen (vgl. Mehling/Rodi, in: Handbuch KlimaschutzR, § 18 Rn. 55). Auch wenn es in der CBAM-VO heißt, dieses sei „mit den Regeln der Welthandelsorganisation vereinbar“ (ErwG. 15 CBAM-VO), bleibt diese Frage umstritten (m.w.N. Ismer, S. 18 Fn. 3; Mehling et. al., S. 457 Fn. 160). Zudem könnte das CBAM von Handelspartnern als protektionistisches Instrument bewertet werden (vgl. OECD, Rn. 160).

Vom Vorschlag zur Verordnung

Die Trilog-Verhandlungen über den CBAM-Verordnungsvorschlag haben fast zwei Jahre in Anspruch genommen. Wesentliche Unterschiede zwischen Vorschlag und Verordnung bestehen in der veränderten Zielbestimmung und der Inklusion von Wasserstoff.

Um auf internationale Zustimmung hoffen zu können, sollte das CBAM möglichst glaubhaft von Klimaschutzinteressen und nur sekundär von europäischen Wirtschaftsinteressen bestimmt sein. Laut Art. 1 Abs. 1 CBAM-Vorschlag sollte das CBAM zunächst lediglich „der Gefahr der Verlagerung von CO2-Emissionen vorbeugen“. Laut Art. 1 Abs. 1 CBAM-VO dient das CBAM jetzt zusätzlich dazu, „die globalen CO2-Emissionen zu verringern und die Umsetzung der Ziele des Übereinkommens von Paris zu unterstützen, und zwar auch, indem für Betreiber in Drittländern Anreize zur Verringerung der Emissionen gesetzt werden“. Mit dieser veränderten Zielbestimmung wird der Klimaschutzaspekt gegenüber dem Wirtschaftsaspekt gestärkt und dem Vorwurf des EU-Klima-Protektionismus entgegengetreten.

Zudem wird das CBAM auf den Import von Wasserstoff erweitert, der ein Hoffnungsträger im Rahmen der Energiewende ist. Langfristig soll das CBAM für alle Waren gelten, deren Sektoren vom EU-EHS abgedeckt werden. Aktuell gilt es für emissionsreiche Waren, für deren Branchen ein hohes Carbon-Leakage-Risiko besteht (ErwG. 31 CBAM-VO). Zusätzlich zu den im CBAM-Vorschlag festgelegten Waren (Zement, Strom, Düngemittel, Aluminium, Eisen und Stahl) ist nun auch Wasserstoff umfasst (Anhang I CBAM-VO; Anhang I CBAM-Vorschlag). Es wird erwartet, dass die Einfuhr von Wasserstoff in die Europäische Union in Zukunft stark zunehmen wird (ErwG. 37 CBAM-VO). Klimaschonend wirkt Wasserstoff allerdings nicht, wenn er aus fossilen Energieträgern hergestellt wird.

Besonderer Schutz der europäischen Exporte?

Der Übergang von kostenlosen Zuteilungen zum CBAM erfolgt schrittweise. Nach dem aktuellen Plan tritt das CBAM im Jahr 2034 vollständig in Kraft. Von da an werden auch die EU-EHS-Zertifikate vollversteigert. Eine Herausforderung ist dies vor allem für Exporte aus der EU. Während es innerhalb der Union dank des CBAMs gleiche Wettbewerbsbedingungen geben wird, konkurrieren europäische Exporte weiterhin mit Waren aus nicht-EU-Ländern, in denen es keine Emissionspreise gibt (vgl. Marcu et. al., S. 10). So stellt sich die Frage, ob Exporte in das CBAM einbezogen werden sollten, indem beispielsweise die kostenlosen Zertifikate für die Produktion von Exportwaren aufrechterhalten werden (vgl. Marcu et. al., S. 11). Die CBAM-VO sieht keine entsprechende Berücksichtigung der Exporte vor. Die Europäische Kommission sah in ihrer ursprünglichen Folgenabschätzung (S. 42) die Glaubwürdigkeit des CBAM als Klimaschutzinstrument untergraben, wenn Emissionspreise für europäische Exporte entfallen. Nach der CBAM-VO bewertet die Kommission nun aber vor Ablauf des Übergangszeitraums, wie sich das Risiko von Carbon Leakage bei den Exporten entwickelt, und legt gegebenenfalls einen Gesetzgebungsvorschlag vor, um Verlagerungen vorzubeugen (Art. 30 Abs. 5 CBAM-VO). Unklar ist, welche Art der Unterstützung erwogen wird. Eine Aufrechterhaltung der kostenlosen Zuteilungen für Exporte macht es schwer, das CBAM als Klimaschutzinstrument zu verteidigen, und sollte allenfalls als ultima ratio genutzt werden.

Vereinbarkeit mit dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung?

Unklar ist bis heute, wie sich das CBAM zu dem in Art. 2 Abs. 2 Paris Agreement kodifizierten Prinzip der „gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung“ verhält. Nach diesem Prinzip sind die „entwickelten Länder“ – als Vertragspartei damit auch die EU – im Kampf gegen den Klimawandel besonders verantwortlich, da sie in der Vergangenheit die meisten Treibhausgase ausgestoßen haben und über die größten Ressourcen verfügen, um den Klimawandel aufzuhalten (vgl. Durán, S. 82). Aufgrund ihrer besonderen Verantwortung sollen die entwickelten Länder die Führung (Art. 4 Abs. 4 Paris Agreement) im Kampf gegen den Klimawandel übernehmen und Entwicklungsländer unterstützen (Art. 4 Abs. 5 Paris Agreement). Befürchtet wird, dass das CBAM durch die Vereinheitlichung des Emissionspreises beim Import in die EU weder dem Führungs-, noch dem Unterstützungsaspekt gerecht wird. Abhilfe könnte ein differenzierendes CBAM leisten, das für unterschiedliche Länder unterschiedliche Emissionspreise vorsähe (vgl. Ozai, S. 27 ff.). Zudem könnten Einnahmen aus dem CBAM den Entwicklungsländern für ihre Klimaschutzbemühungen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Durán, S. 90; Mehling et. al, S. 478; OECD, Nr. 91 ff.). Der CBAM-Vorschlag erwähnte das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung zwar in der Folgenabschätzung (S. 30), nahm aber keine konkreten Anpassungen vor. Laut CBAM-VO bewertet die Kommission nun vor Ende des Übergangszeitraums, wie sich das CBAM auf Waren, die aus Entwicklungsländern eingeführt werden, auswirkt. Zudem soll die Wirksamkeit der geleisteten technischen Unterstützung für Entwicklungsländer bewertet werden (Art. 30 Abs. 2 lit. f CBAM-VO).

Mögliches Zusammenspiel mit einem Klimaclub?

Im Jahr 2022 haben die G7 angekündigt, einen Klimaclub zu gründen, möglichst bei der COP28. Unter dem Begriff „Klimaclub“ werden verschiedenste Arten der multilateralen Kooperation diskutiert. Das Spektrum reicht von einem Forum für informationellen Austausch bis hin zu der Einführung eines einheitlichen Emissionspreises durch die Clubmitglieder in Kombination mit einem Grenzausgleich an den Club-Außengrenzen (vgl. Nysten, S. 189 ff.). Fraglich ist, wie das CBAM mit einem Klimaclub vereinbar wäre und ob sich der Anwendungsbereich des CBAM durch einen Klimaclub verändert (vgl. UBA, S. 5). Nach ErwG. 72 CBAM-VO erfordere das CBAM die Zusammenarbeit mit Drittländern, weshalb ein Klimaclub eingeführt werden „sollte“. Es liegt nahe, dass sich die EU durch einen Klimaclub eine verbesserte Akzeptanz des CBAMs erhofft.

Fazit

Insgesamt hat das CBAM das Potential, ein wichtiger Baustein einer ambitionierteren Klimaschutzpolitik zu werden. Ein CO2-Grenzausgleichssystem stärkt das EU-EHS, indem es die Abkehr von dem System der kostenlosen Zuteilungen ermöglicht. In der weiteren Ausgestaltung ist eine Ausrichtung des CBAM am Klimaschutz – entsprechend der neuen Zielbestimmung in Art. 1 Abs. 1 CBAM-VO – entscheidend. Insbesondere sollte eine Unterstützung europäischer Exporte äußerst behutsam erfolgen. Um mit dem Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung vereinbar zu sein, sollte das CBAM gegenüber Entwicklungsländern angepasst werden. Die Einführung eines Klimaclubs könnte Anwendungsbereich und Akzeptanz des CBAMs beeinflussen.

Sophie Schwab ist Stipendiatin der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Öffentlichen Recht und Europarecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

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